Eine schlaflose Nacht, zwei Stimmen im Kopf.
Von Corona-Alpträumen geplagt versucht die körperlose Erzählerin aus dem Off ihre Angstzustände mit ASMR
zu betäuben.
A sleepless night, two voices in her head.
Plagued by Covid nightmares, the off-screen bodiless narrator tries to numb her anxieties with ASMR.
In cooperation w. LEONARDO-Zentrum,
Hochschule für Musik Nürnberg
and Kulturforum Fürth
2020
Duration: 85 min
w. Lisa Eisenreich, Alina König Rannenberg
Scientific advisor:
Prof. Claus-Christian Carbon
Als Paketzulieferinnen getarnt erschleichen sich die personifizierten Trigger Zugang zum Unterbewusstsein, um sich leise singend und Hände reibend in den Untiefen der Psyche breitzumachen. Unberührt diagnostizieren sie ihrem Wirt depressive Verstimmung und erdrückende Einsamkeit, gegen die sie die Zubereitung alkoholhaltiger Longdrinks empfehlen. Verführerisch säuselnd rezitieren sie die Zutatenliste – gewürzt mit pikanten Zahlen zum Lockdown und abgeschmeckt mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu ASMR mit einem Hauch von manipulativem Marketingjargon und einer Prise Jinglemelodie. Die Invasorinnen hüllen die bittere Pille des Social Distancing in die mantraartige Monotonie einer eingeübten Choreographie – Anweisungen zum Hygieneverhalten werden bis zum Einschläfern eingeimpft. Doch tritt die sehnlichst erwartete Nachtruhe nicht ein. Die Geräusche, Gesänge und Klänge dringen über die Muschel in die Windungen des Gehörganges ein und erreichen die Schnecke, die mit Schalotten, Knoblauch und frischer Pertersilie zubereitet auf der Zunge zergeht. Von dort aus gelangen sie zum Nervenkostüm, das blank liegend lediglich mit Latex bekleidet ist. Im Scheinwerferlicht der Bühne spiegelt sich auf der schimmernden Oberfläche des Lacks die Nähe aus der Entfernung: Statt Berührungen auf der Haut, anrührende Cocktails im Netz; statt Begegnungen in der Realität, zwei Stimmen im Kopf.
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Disguised as couriers, personified triggers gain access to her subconscious, chanting softly and rubbing their hands together so that they can make themselves at home in the depths of her psyche. Unmoved, they diagnose their host with a depressive mood and crushing loneliness, against which they recommend the preparation of alcoholic long drinks. Purring seductively, they recite the list of ingredients – seasoned with spicy lockdown figures and flavoured with scientific findings on ASMR with a touch of manipulative marketing jargon and a dash of musical jingles. The invaders wrap the bitter pill of social distancing in the mantra-like monotony of a rehearsed choreography. Instructions on personal hygiene are inculcated until you fall asleep. But the eagerly-awaited night’s rest doesn’t come. Noises, songs, and sounds penetrate the convolutions of the ear canal via the outer ear and reach the cochlea – which, when prepared with shallots, garlic, and fresh parsley, melts in the mouth. From there they get to the nerve costume, which is bare and dressed only in latex. In the stage’s spotlight, the shimmering lacquered surface reflects proximity from a distance. Instead of contact with skin, stirring cocktails on the web. Instead of real-life meetings, two voices in her head.
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Text: Carina Essl
In der experimentellen Recherche werden die Mechanismen von ASMR (Autonomous Sensory Meridian Response) mit den aktuellen Auswirkungen der zwischenmenschlichen Beschränkungen auf den alltäglichen Umgang verknüpft und zu einem Geflecht aus Stimmen, Operngesängen, Geräuschen und Tönen verdichtet. Das Spannungsfeld aus Intimität und Anonymität, Eindringlichkeit und Entspanntheit, Nähe und Distanz, Körperlichkeit und Virtualität kennzeichnet sowohl den Trend von ASMR als auch den Lebensalltag während der Pandemie.
In this experimental research, ASMR (Autonomous Sensory Meridian Response) mechanisms are linked to the present-day implications of interpersonal restrictions on everyday interaction, becoming condensed into a web of voices, operatic chants, noises, and sounds. The tension between intimacy and anonymity, urgency and relaxation, proximity and distance, physicality and virtuality is a feature of both the ASMR trend and everyday life during the pandemic.
Sono ist als Live-Versuchsanordnung konzipiert, bei der mit visuellen und akustischen Mitteln eine immersive, sinnliche Erfahrung erzeugt wird.
Sono has been conceived as a live experimental arrangement that uses visual and acoustic means to create an immersive, sensory experience.
Photos & camera:
Linda Blendinger